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Vier NBG-Gut­ach­ten zu Fra­gen der Si­cher­heit

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Gutachten | 13.07.2022

Gerade werden die Methoden entwickelt, mit denen in Zukunft die Sicherheit eines Endlagers bewertet werden soll. Ist das geplante Vorgehen der zuständigen Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) fachlich plausibel und nachvollziehbar? Wo sollte nachgeschärft werden? Die Sachverständigen des NBG haben diese Fragen unter die Lupe genommen. Hier die Ergebnisse – kurz & verständlich zusammengefasst.

Die ersten Teilgebiete, die für ein Endlager potentiell infrage kommen, sind benannt. Rund 54 % Deutschlands sind weiter im Rennen. Im nächsten Schritt des Standortauswahlverfahrens werden sogenannte repräsentative vorläufige Sicherheitsuntersuchungen (rvSU) durchgeführt. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat dafür den Hut auf. Mit dieser komplizierten und für die Suche nach übertägig zu erkundenden Standortregionen entscheidenden Aufgabe wird erstmals die Sicherheit eines möglichen Endlagers in den unterschiedlichen Gesteinsformationen bewertet. Ein Ziel: Flächen und Anzahl der Gebiete, die bei der Endlagersuche weiterhin infrage kommen, sollen bei diesem Prozess stark reduziert werden.

Wie dies geschehen soll, hat die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) von Ende März bis Ende Juni 2022 mit ihrem Konzept zur Durchführung der rvSU und einer umfangreichen Methodenbeschreibung öffentlich präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Dieser Prozess wurde von den Sachverständigen des NBG begleitet. Diese Gruppe von Experten darf im Namen des NBG auch Akten einsehen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind – z.B., weil Rechte zu bestimmten geologischen Daten bei Privatfirmen liegen. Folgende Fragen standen im Fokus der Gutachten:

  • Wie werden Untersuchungsräume festgelegt und nach welchen Kriterien werden sie weiter unterteilt?
  • Inwieweit sind die einzelnen Prüfschritte der Sicherheitsuntersuchungen nachvollziehbar und plausibel?
  • Welche Zusammenhänge bestehen zwischen den Sicherheitsuntersuchungen und den geowissenschaftlichen Abwägungskriterien?
  • Welche Rolle werden die Referenzdaten einnehmen, die nicht vor Ort gewonnen wurden?

Außerdem haben die Sachverständigen die öffentlichen Veranstaltungen der BGE und die fachliche Diskussion zur Methodenentwicklung der Sicherheitsuntersuchungen im Zeitraum der Konsultationsphase bis Ende Juni beobachtet und geben hierzu ihre Einschätzungen, ob das komplizierte Thema allgemeinverständlich dargestellt worden ist und wie die Ergebnisse der öffentlichen Diskussion in die Arbeit der BGE einfließen können.

Die Begutachtung wurde von den Sachverständigen des NBG anhand der vier Wirtsgesteine durchgeführt:

  • für das Wirtsgestein Kristallin durch Prof. Dr. Jan Behrmann / Gutachten
  • für das Wirtsgestein Ton durch Dr. Jürgen Grötsch / Gutachten
  • für das Wirtsgestein Steinsalz (flache Lagerung) durch Prof. Dr. Michael Kühn / Gutachten
  • für das Wirtsgestein Steinsalz (steile Lagerung) durch Prof. Dr. Michael Weber / Gutachten

Gutachten für das Wirtsgestein Kristallin

Prof. Dr. Jan Behrmann hat sich das Wirtsgestein Kristallin angeschaut und die Methodenentwicklung der Sicherheitsuntersuchungen am Beispiel des Teilgebiets „Saxothuringikum“, das sich von Baden-Württemberg bis nach Sachsen erstreckt, begutachtet.

Kurz & Verständlich

Zusammenfassung

  • Das vorgestellte Konzept ist klar dargelegt. Der verfolgte Ansatz, die Zusammenstellung und Interpretation aller geologischen Informationen (Geosynthese) in einem Untersuchungsraum fortlaufend zu modifizieren und zu erweitern, wird in dem Gutachten begrüßt.
  • Eine große Schwäche ist die immer noch mangelnde Verfügbarkeit von geologischen Daten, insbesondere von Bohrdaten, die analog vorliegen.
  • Es fehlen im Kristallin ausgearbeitete Konzepte für ein Endlager.

Einige Handlungsempfehlungen

  • Das Teilgebiet „Saxothuringikum“ sollte aufgrund seiner Größe und Unterschiede der geologischen Verhältnisse in mehrere Untersuchungsräume aufgeteilt werden.
  • Das Vorgehen, große Untersuchungsräume in kleinere Teiluntersuchungsräume einzuteilen, wird begrüßt. Wenn sich die Grenzen dieser Teiluntersuchungsräume verändern, muss dies dargestellt und dokumentiert werden.
  • Es wird dringend empfohlen, Abhilfe bei der immer noch mangelnden Verfügbarkeit von geologischen Daten, insbesondere von vollständigen Bohrdaten zu schaffen, da die Qualität der Sicherheitsuntersuchungen von deren Verfügbarkeit abhängt.
  • Begutachtungen im Rahmen der Qualitätssicherungen sollten nicht nur intern durchgeführt werden, sondern auch durch externe, unbefangene Sachverständige erfolgen. Dies sollte in Form eines unabhängigen Peer-Review, dem kraftvollsten Instrument der Qualitätskontrolle in der Wissenschaft, Anwendung finden.
  • Der Verfasser empfiehlt dringend, der Entwicklung von Endlagerkonzepten für das kristalline Wirtsgestein höchste Priorität einzuräumen, damit beim Abschluss der Methodenentwicklung klar ist, nach welchen geeigneten Gebirgsbereichen in Teilgebieten mit kristallinem Wirtsgestein für ein Endlager überhaupt zu suchen ist.

Gutachten Gebiet im Ton

Dr. Jürgen Grötsch hat sich das Wirtsgestein Ton angeschaut und die Methodenentwicklung der Sicherheitsuntersuchungen am Beispiel des Teilgebiets „Opalinuston“, das sich in Baden-Württemberg und Bayern befindet, begutachtet.

Kurz & Verständlich

Zusammenfassung

  • Die vorgestellte Methodik bildet eine gute Basis. Vor ihrer letztendlichen Anwendung sind bestehende Arbeitsschritte weiter zu entwickeln und fehlende Arbeitsschritte zu ergänzen.
  • Eine integrative Betrachtung von Ungewissheiten, Risiken, benötigten Modellstudien und den Entscheidungen ist nicht zu erkennen. Beispielsweise sollte zuerst analysiert werden, welche Modelle zur Lösung welcher Fragestellungen angewendet werden sollen. Da die Endlagersuche von einem dreidimensionalen Verständnis der Geologie ausgeht, sind nur eingeschränkt Antworten aus den aktuell verwendeten eindimensionalen Modellen zu erwarten.
  • Das Hauptaugenmerk der BGE liegt bisher auf der verbal-argumentativen Zusammenfassung der Bewertungen von Teiluntersuchungsräumen. Dieser integrative Ansatz wird zwar begrüßt, aber gleichzeitig als nicht ausreichend betrachtet, insbesondere wenn es sich um Räume mit geringer Datenlage handelt.
  • Die zeitnahe Verfügbarkeit von digitalen Untergrunddaten guter Qualität ist ein wichtiges technisches Risiko im Vorhaben. Trotz intensiver Bemühungen sind bis heute diesbezüglich nur kleinere Fortschritte erzielt worden.

Einige Handlungsempfehlungen

  • Die verbal-argumentative Einschätzungen aller Teiluntersuchungsräume sollte durch quantitative Evaluierungen der Ungewissheiten unterstützt werden, um eine transparente und vergleichbare Dokumentation zu erleichtern. Daher wird empfohlen:
    • die Methodik der Analyse von Ungewissheiten auf einzelne Arbeitsschritte anzupassen.
    • Ungewissheiten in den Teiluntersuchungsräumen unter Verwendung von Kenngrößen zu quantifizieren.
    • Kenngrößen und daraus berechnete Wahrscheinlichkeiten grafisch darzustellen.
  • Im Gegensatz zum derzeitigen Vorschlag der BGE, Ungewissheiten erst in einem späten Arbeitsschritt zu dokumentieren, wird ihre Analyse und Dokumentation in einem früheren Stadium des Workflows empfohlen.
  • Das bestehende technische Risiko der zeitnahen Verfügbarkeit von digitalen Untergrunddaten macht aus Sicht des Gutachters eine Eskalation durch die BGE-Geschäftsführung zum Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) notwendig. Das Problem ist nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu lösen.

Gutachten im Gebiet Steinsalz (flache Lagerung)

Prof. Dr. Michael Kühn hat sich das Wirtsgestein Steinsalz (flache Lagerung) angeschaut und die Methodenentwicklung der Sicherheitsuntersuchungen am Beispiel des Teilgebiets „Thüringer Becken“, das sich über Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erstreckt, begutachtet.

Kurz & Verständlich

Zusammenfassung

  • Das Vorgehen ist grundsätzlich verständlich, fundiert und sinnvoll. Qualitätskontrollen mit dem Beleg, dass das Verfahren verlässlich und nachvollziehbar ist, stehen zurzeit noch aus.
  • Die Aufteilung des Gebiets Thüringer Becken in Teiluntersuchungsräume ist zielführend und erfolgt anhand geologischer Aspekte.
  • Wie mit unterschiedlichen Datenlagen und Ungewissheiten umgegangen wird, ist noch ungelöst und bleibt die wesentliche Herausforderung im Verfahren.
  • Die angewendeten Methoden müssen reproduzierbar sein und stets zu denselben Ergebnissen führen.
  • Die Qualität der Öffentlichkeitsarbeit der BGE sollte verbessert werden. Es herrscht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Arbeitsstand der BGE und dem, was in den öffentlichen Veranstaltungen präsentiert wird.

Einige Handlungsempfehlungen

  • Es müssen Strategien erarbeitet werden, wie methodisch mit einer unterschiedlichen Datenlage umgegangen werden kann.
  • Die Methodik der BGE sollte evaluiert werden, um eine Qualitätskontrolle zu gewährleisten.
  • Die durch die Staatlichen Geologischen Dienste bereitgestellten Modelle dienten ursprünglich anderen Aufgaben. Es muss geprüft und belegt werden, ob sie im Rahmen der Standortsuche in gleicher Art und Weise eingesetzt werden können.
  • Das Wirtsgestein Steinsalz hat den Vorteil einer vergleichsweise umfangreichen und guten Datenlage. Doch wie geht man mit unterschiedlichen Datenlagen bei anderen Wirtsgesteinen um? Diese Frage sollte im weiteren Verfahren geklärt werden.

Gutachten im Gebiet Steinsalz (steile Lagerung)

Prof. Dr. Michael Weber hat sich das Wirtsgestein Steinsalz (steile Lagerung) angeschaut und die Methodenentwicklung der Sicherheitsuntersuchungen am Beispiel des Teilgebiets „Salzstock Bahlburg“, das sich ca. 8 km südlich von Hamburg in Niedersachsen befindet, begutachtet.

Kurz & Verständlich

Zusammenfassung

  • Das Problem der eingeschränkten Datenverfügbarkeit, insbesondere von älteren Seismik-, aber auch Bohrdaten, ist weiterhin nicht gelöst. Dies ist eine zentrale Problematik bei der Entwicklung der Sicherheitsuntersuchungen und bei der dann folgenden Einengung der potentiellen Endlagerstandorte.
  • Eine große Herausforderung besteht darin, das Innere eines Salzstocks zu bestimmen. Soweit Daten hierzu vorhanden sind, müssen diese digitalisiert, neu berechnet und interpretiert werden.
  • Momentan wird angenommen, dass zu allen 60 Teilgebieten mit Steinsalz in steiler Lagerung Daten vorhanden sind. Die Qualität der Daten kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollständig bewertet werden.
  • Nicht alle Mitarbeiter*innen der BGE sind in gleichem Maße geeignet, die komplexen Sachverhalte der Endlagerung der Öffentlichkeit zu erklären. Die Präsentationen enthielten teilweise einen Info-Overload. Webseiten zur Online-Konsultation waren nur schwer zu finden.

Einige Handlungsempfehlungen

  • Zur Bestimmung des Inneren eines Salzstocks sollten die vorhandenen Rohdaten mit unterschiedlichen seismischen Methoden, nach dem aktuellen Stand der Technik und mit einem Fokus auf den Tiefenbereich bis 1500 m neu berechnet, ausgewertet und mit geplanten Studien der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) kombiniert werden.
  • Forschungsaufträge und sonstige Aufträge sollten innerhalb eines Monats auf der BGE-Website dokumentiert werden. Neue Berichte sollten in der Rubrik News/Aktuelles der Website stehen. Das Stichwortverzeichnis und die Suchfunktionen der Website sind verbesserungsbedürftig.
  • Jedes Teilgebiet sollte mit Informationen, eingegangenen und fehlenden Datensätzen dokumentiert werden.
  • Für Mitarbeiter*innen der BGE mit Öffentlichkeitskontakt sollte aus Sicht des Gutachters ein Medientraining verpflichtend sein. Der Informationsgehalt bei Vorträgen sollte reduziert und den Zielgruppen angepasst sein.

Dr. Heiko Zumsprekel

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