GSB 7.1 Standardlösung

Navigation und Service

Zwei Rechts­gut­ach­ten, zwei Per­spek­ti­ven - ein Ver­gleich!

Paragraphenzeichen Themenbild Gesetze
Vegafox/Stock.Adobe.com

Gutachten | 09.07.2019

Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist ein Grundpfeiler im Standortauswahlverfahren. Doch geht sie weit genug? Fordert das Völkervertrags- und Unionsrecht mehr? Und wie sieht es mit dem Rechtsschutz aus? Das NBG gab zwei Gutachten in Auftrag. Hier die Ergebnisse – kurz und verständlich.

Das Nationale Begleitgremium hatte in seiner 25. Sitzung am 1. Februar 2019 beschlossen, sich zu Fragen der Öffentlichkeitsbeteiligung in der ersten Phase des Standortauswahlverfahrens und zu Fragen des Rechtsschutzes gutachterlich beraten zu lassen. Welche Maßstäbe an die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung - vor allem im Hinblick auf die ebenfalls anzuwendenden bzw. bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigenden völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Regelungen - anzulegen sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Und auch beim Thema Rechtsschutz gibt es bereits Diskussionen über Unklarheiten. 

Aufgrund seines gesetzlichen Auftrags, das Standortauswahlverfahren und insbesondere die Öffentlichkeitsbeteiligung unabhängig und vermittelnd zu begleiten, um so Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen, kann sich das NBG unabhängig und wissenschaftlich zu diesen Fragen beraten lassen. Das Standortauswahlgesetz (StandAG) sieht auch vor, dass das NBG dem Deutschen Bundestag Empfehlungen zum Standortauswahlverfahren geben kann – also zum Beispiel auf Unklarheiten oder Lücken im Gesetz und einen etwaigen Änderungs- oder Ergänzungsbedarf hinweisen kann. 

Die Ergebnisse der beiden Gutachten von Prof. Dr. Ewer / Dr. Thienel und von Dr. Wollenteit zu den vom NBG gestellten fünf Fragen wurden in der 31. Sitzung des NBG am 1. Juli 2019 vorgestellt.

Frage 1: Vereinbarkeit der Regelungen des StandAG zur Öffentlichkeitsbeteiligung mit völkervertraglichen und unionsrechtlichen Regelungen

Bei dieser Untersuchung kamen beide Gutachten zum Ergebnis, dass die Regelungen des Standortauswahlgesetzes bezüglich der Anforderungen an die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung mit den Vorgaben der Aarhus-Konvention (AK), der UVP-Richtlinie, der SUP-Richtlinie und der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie vereinbar sind und insoweit kein Novellierungsbedarf für das Standortauswahlgesetz besteht. 

Frage 2: Untersuchung der bisherigen konzeptionellen Grundlegung der Öffentlichkeitsbeteiligung am Maßstab der Normen des Völkervertrags-, Unions- und nationalen Rechts

Hier weisen beide Gutachter darauf hin, dass aufgrund der weit gefassten Regelungen in § 5 StandAG, insbesondere zur Fortentwicklung der Öffentlichkeitsbeteiligung und der vom Gesetzgeber den Bürger*innen zugewiesenen Rolle als „Mitgestalter des Verfahrens“,  die Öffentlichkeit an der Fortentwicklung des Beteiligungskonzepts in einem kommunikativen Verfahren bzw. dialogorientierten Prozess zu beteiligen ist. Insofern bestünde kein Novellierungsbedarf des Gesetzes. 

Frage 3: Gibt es eine Einschränkung des Rechtsschutzes durch die Bundesgesetze zu den übertägig zu erkundenden Standortregionen und den untertägig zu erkundenden Standorten?

In seinen Ausführungen zu dieser Frage kommt Herr Dr. Wollenteit zum Ergebnis, dass sich die zur Bestimmung der übertägig zu erkundenden Standortregionen und der untertägig zu erkundenden Standorte vorgesehenen Bundesgesetze nicht einschränkend auf den im StandAG vorgesehenen Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht auswirken. 

Herr Prof. Dr. Ewer und Dr. Thienel weisen auf eine begrenzte Einschränkung des Rechtsschutzes hin: Das Bundesverwaltungsgericht darf wegen des sog. Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts (das besagt, dass nur dieses ein Bundesgesetz für nichtig erklären darf, das mit dem Grundgesetz unvereinbar ist) nicht die durch Bundesgesetz getroffene Auswahl der übertägig zu erkundenden Standortregionen oder der untertägig zu erkundenden Standorte als solche aufheben. Außerdem sieht er in der gesetzlich geregelten Bestandskraft des ersten Feststellungsbescheids des BfE eine gewisse Einschränkung des zweiten im StandAG geregelten Rechtsschutzverfahrens. 

Bei genauerer Betrachtung gibt es hier aber im Wesentlichen keinen Dissens. Die Gutachter stimmen vielmehr darin überein, dass etwaige frühere Verfahrensfehler, die sich noch in einem späteren Verfahrensstadium auswirken, grundsätzlich ungeachtet des Regelungsgehalts der zeitlich nachfolgenden Bundesgesetze rügefähig bleiben.

Frage 4: Wäre eine solche Einschränkung rechtlich überhaupt zulässig?

Bei dieser Frage wird von Herrn Dr. Wollenteit zur Begründung seiner Antwort ausgeführt, dass eine Einschränkung des Rechtsschutzes durch die o. g. Bundesgesetze zu verfassungsrechtlichen Risiken im Hinblick auf die enteignungsrechtliche Wirkung der Standortgesetze führen würde, und sie auch europa- und völkerrechtlich problematisch wäre, weil sie die Effektivität des Rechtsschutzes beschädigen könnte.

Herr Prof. Dr. Ewer und Dr. Thienel gelangen bei dieser Frage zu dem Ergebnis, dass die von ihm in seiner Antwort zu Frage 3 festgestellten begrenzten Einschränkungen des Rechtsschutzes mit dem Völkerrecht, dem Unionsrecht und dem Grundgesetz vereinbar seien. Die festgestellten begrenzten Einschränkungen des Rechtsschutzes seien somit rechtlich zulässig. Darüber hinausgehende Einschränkungen wären verfassungs-, europa- und völkerrechtlich problematisch. 

Frage 5: Novellierungsbedarf beim Rechtsschutz nach dem StandAG?

Die Antworten der beiden Gutachter zu dieser Frage weichen deutlich voneinander ab. Nach Ansicht von Herr Prof. Dr. Ewer und Dr. Thienel ergeben sich die Folgen eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in den im StandAG vorgesehenen Rechtsschutzverfahren „mit hinreichender Deutlichkeit“ aus dem Standortauswahlgesetz. 

Herr Dr. Wollenteit sieht indessen insbesondere im Bereich der Rechtsfolgen bei einer Aufhebung der Feststellungsbescheide einen Nachbesserungs- oder Novellierungsbedarf für das StandAG. Nach seiner begründeten Auffassung bedarf es dieser Klarstellung durch den Gesetzgeber vor allem deshalb, weil die Anwendung der Fehlerfolgenregelungen des Umweltrechtsbehelfsgesetzes zum Teil zu systemwidrigen Ergebnissen führen würden. Er regt die Entwicklung eines besser auf das StandAG abgestimmten Fehlerfolgenrechts im Bereich des Rechtsschutzes an sowie eine Präzisierung der Rechtsfolgen im Falle einer Aufhebung des Feststellungsbescheids des BfE

Diese Anregungen sowie ein Bericht über die Ergebnisse der vom NBG in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten sollen nun in den Tätigkeitsbericht des NBG aufgenommen werden, den das Gremium im November an den Deutschen Bundestag überreichen wird.

Dr. Jennifer Blank

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK