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Ge­stat­ten, Man­fred Sud­den­dorf!

Foto von Manfred Suddendorf (Mitglied des Nationalen Begleitgremiums) NBG-Mitglied Manfred Suddendorf
Privat

NBG stellt sich vor | 14.02.2019

Hier mitzumachen ist ein Balanceakt – den Blick des Laien nicht verlieren und gleichzeitig sich einarbeiten in ein hochkomplexes Thema. Eine große Herausforderung! Worum es mir geht: Raus aus vorgefertigten Denkmustern!

Im Spätsommer 2016 beschäftigten mich eine ganze Reihe neuer Themen, aber die Suche nach einem Endlager für Atommüll gehörte nicht dazu. Ein Jahr zuvor hatte ich mich entschieden, nach über 20 Jahren in verschiedenen Rollen in der Industrie (Forschung, Entwicklung, Produktmarketing) meinem Leben eine Wende zu geben. "Plough your own furrow" (Gehe deinen eigenen Weg) war der Rat eines britischen Freundes, den ich beherzigt hatte. Mein Angestelltendasein hatte ich beendet und arbeitete seit Kurzem als selbständiger Berater und Dozent. Ich war dadurch zeitlich flexibler und hatte die Möglichkeit, mich auch anderen Themen zu widmen.

Wie alles begann

An einen Zufall wollte ich dann zunächst auch nicht glauben, als eine Mitarbeiterin der Uni Bamberg ihr Anliegen am anderen Ende des Hörers schilderte. Meine Erinnerung an diesen ersten Anruf ist zwar inzwischen etwas verblasst, aber es ging um Radioaktivität, Atommüll, Endlagersuche, gesellschaftliche Probleme und die Frage, ob ich eventuell zu einer ehrenamtlichen Mitarbeit in einem Gremium bereit wäre. "Großes Interesse an den Themen, aber leider keine Zeit" hätte ich ein Jahr zuvor wohl geantwortet. Jetzt aber hatte ich gerade mehr zeitliche Flexibilität erlangt. Zudem hatte ich in den neunziger Jahren für eine Diplomarbeit an einem Institut für Strahlenschutz gearbeitet. Alles Zufälle?

Ich ließ mir also ein Infopaket zusenden, aus dem der angedachte Prozess zur Bestimmung von sechs Bürger*innen für das Nationale Begleitgremium hervorging. Aus vielen Millionen deutschen Telefonanschlüssen waren fast 70.000 Menschen angerufen worden, um etwa 120 Teilnehmer*innen für die Bürgerforen zu gewinnen. Die Foren sollten dann 30 Personen aus ihren Reihen für das Beratungsnetzwerk wählen, die dann schließlich sechs Mitglieder für das NBG ernennen würden. Die größte Hürde für eine Berufung ins NBG schien mit der Annahme des Telefonanrufs bereits genommen.

Raus aus Denkmustern

In den folgenden 18 Monaten hatte ich die Gelegenheit durch Mitarbeit in den Bürgerforen und dem Beratungsnetzwerk mehr zum Thema zu lernen, aber nicht zuletzt auch mich selbst weiterzuentwickeln. Aus Denkmustern auszubrechen, die vielleicht durch meine Persönlichkeit, durch meine Ausbildung zum Ingenieur oder meine Berufstätigkeit geprägt sind, fällt mir nicht immer leicht.

Gestatten, NBG-Mitglied Manfred Suddendorf!

Die produktive Zusammenarbeit in solchen bunt gemischten Gruppen erfordert aber von den Teilnehmenden Offenheit für andere Ansichten und Ansätze. Insgesamt also eine sehr positive Erfahrung. Als dann im Frühling 2018 die Erweiterung des Nationalen Begleitgremiums anstand, habe ich mich schließlich erfolgreich zur Wahl gestellt und wurde im Juli 2018 durch die Bundesumweltministerin Svenja Schulze in das NBG berufen.

Die ersten Monate im NBG

Ich hatte mir vorgenommen, erst einmal Informationen aufzusaugen und ein paar Eindrücke zu gewinnen. Aber selbst diesen recht niedrigen Anspruch zu erfüllen, fiel mir nicht leicht. So viele Begegnungen: neue Gesichter, Namen, Institutionen, Vertreter*innen der Politik, Wissenschaft, Bürgerinitiativen. Und sie alle schienen einiges gemein zu haben: Sie hatten Positionen und Ziele, häufig jahrzehntelange Erfahrungen– aber vor allem wussten und wissen sie alle so viel mehr als ich.

Immer wieder musste ich mich darauf zurückbesinnen, dass ich hier nicht als Experte oder Interessenvertreter, sondern als Laienbürger sitze. Meine Aufgabe ist es, mich aus dieser Laienperspektive heraus einzubringen. Selber zum Experten werden kann und darf nicht mein Ziel sein. Aber völlig ahnungslos bleiben, geht natürlich auch nicht. Hier eine gute Balance zu finden, halte ich für eine der größten Herausforderungen.

Ein anderer wichtiger Lernprozess betrifft die Arbeit im Gremium. Ich habe viel Erfahrung mit der Arbeit in Projektteams, aber wie geht Gremienarbeit eigentlich? Ich bilde mir an der Stelle ein, Fortschritte zu machen, aber ich bin da sicher noch nicht am Ende der Lernkurve angelangt. Die Arbeit in themenspezifischen Arbeitsgruppen hingegen fühlt sich an wie die Fahrt mit dem eigenen Auto - vertraut und gewohnt.

Manfred Suddendorf, Mitglied des Nationalen Begleitgremiums (NBG-Veranstaltung "Geologische Daten im Brennpunkt" 2.2.2019 / Berlin) Manfred Suddendorf (NBG-Veranstaltung "Geologische Daten im Brennpunkt" 2.2.2019 / Berlin)
Der selbstständige Unternehmensberater und Dozent ist seit Juli 2018 Teil des NBG Janine Schmitz / Photothek

Die gesellschaftliche Debatte

Wie wohl für viele war das Jahr 1986 für mich der eigentliche Startpunkt für die Beschäftigung mit dem Thema Kernenergie. Zum Zeitpunkt des Reaktorunglücks von Tschernobyl war ich 22 Jahre alt und stand wenige Wochen vor dem Beginn eines Ingenieurstudiums in direkter Nachbarschaft zum Kernforschungszentrum Jülich und seinen Forschungsreaktoren. Tschernobyl hat mich zwar nicht in Panik versetzt, aber die Gefahren der Atomkraft schon sehr nahegebracht. Nicht zuletzt hat diese Erfahrung mich auch später motiviert, mich in einer Diplomarbeit mit der Messung von Radioaktivität zu befassen.

Die weitere Entwicklung der gesellschaftlichen Debatte in Deutschland habe ich dann aber 17 Jahre lang nur am Rande verfolgt. Denn 1989 sind meine heutige Frau und ich nach Großbritannien gezogen und haben anschließend von 1997 bis 2006 in den Niederlanden gelebt. Anti-Atomkraftbewegungen gibt es auch in diesen Ländern, aber die Fronten scheinen dort nicht so verhärtet und die Diskussion nicht so verbittert und unnachgiebig geführt zu werden wie in unserem Land. Diese Erfahrungen sind mir Ansporn, mich im NBG dafür einsetzen, dass das Gremium sich die Bürgerbeteiligungsaktivitäten anderer Länder in dieser Frage genauer anschaut. Ich bin mir sicher: Wir können da von unseren Nachbarn etwas lernen.

Sinnvolle Arbeit oder Zeitverschwendung?

Der Zeitaufwand ist beträchtlich. Mein ursprünglicher Plan, meine Aktivitäten für das NBG auf bestimmte Wochentage oder Zeitfenster zu beschränken, ist bisher nicht aufgegangen. Glücklicherweise verfüge ich über relativ große Flexibilität in der Gestaltung meines Terminkalenders, aber die Frage stellt sich natürlich trotzdem: Sinnvolle Arbeit oder Zeitverschwendung? 

Generell ist es bei Projekten ja ratsam, das Ziel zu kennen und zu wissen, was genau "fertig" und "erfolgreich" bedeutet. So ein konkretes Ziel für meine Mitgliedschaft im NBG zu benennen, fällt mir aber tatsächlich nicht leicht. Ich wurde für drei Jahre berufen, aber selbst bei zweifacher Verlängerung wird meine Zeit im NBG weit vor dem Ende des Suchprozesses abgelaufen sein. Was ist also ein sinnvolles Etappenziel? Für mich ist es die Basis der Beteiligung zu verbreitern, also mehr Menschen zu erreichen. Warum?

Obwohl im Grunde alle beteiligten Gruppen und auch ein Großteil der Bevölkerung die Notwendigkeit eines möglichst sicheren Endlagers bejahen – es also eine gemeinsames Ziel gibt – finde ich den Diskurs häufig unbefriedigend. Die "Kontrahenten" beziehen Positionen, Stellungnahmen werden abgegeben, aber ein wirklicher Austausch und Versuche, die jeweils andere Seite zu sehen, sind eher selten.

Ich würde mich freuen, wenn sich am Ende meiner Mitgliedschaft deutlich mehr Menschen beteiligen und so auch dazu beitragen würden, die an vielen Stellen bestehenden Fronten etwas aufzuweichen. Ich freue mich jedenfalls über die Gelegenheit mitwirken zu dürfen beim erneuten Versuch diese große nationale Herausforderung zu bewältigen.

Manfred Suddendorf

Manfred Suddendorf ist seit Juli 2018 Mitglied im Nationalen Begleitgremium.

Wer steckt eigentlich hinter dem Nationalen Begleitgremium? In einer losen Reihe von Interviews und Artikeln erzählen unsere Mitglieder ihre ganz persönliche NBG-Geschichte. Was ist ihre Motivation? Wo liegen die größten Herausforderungen? Die weiteren Texte finden Sie in unserem Dossier.

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