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Streit­ge­spräch: Not in my backyard - Scha­det das Aus­sche­ren von Re­gio­nen dem Ver­fah­ren?

Collage Manfred Suddendorf (NBG-Mitglied) & Martin Behringer (Bürgermeister Thurmansbang/Bayern) Collage Manfred Suddendorf (NBG-Mitglied) & Martin Behringer (Bürgermeister Thurmansbang/Bayern)
Privat

Streitgespräche | 24.02.2022

In Folge 5 drehte sich alles um den Umgang der Kommunen mit der Endlagersuche. Die Auswahl eines Standorts soll streng nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgen, kein Gebiet ist von vornherein ausgeschlossen. Trotzdem stellen einige Regionen bereits ihre Eignung in Frage. Schadet dieses Ausscheren nicht dem Verfahren? Darüber diskutierte Martin Behringer, ein bayerischer Bürgermeister, mit NBG-Mitglied Manfred Suddendorf.

Die „weiße Landkarte“ – sie steht für die Unvoreingenommenheit der Endlagersuche. Wo der Endlagerstandort hinkommen soll, darüber sollen Forscher*innen nach wissenschaftlichen Kriterien entscheiden und nicht die Politik. Eine Lehre, die man aus den Erfahrungen in Gorleben gezogen hat.

Nicht bei uns?

Im Herbst 2020 bekam diese „weiße Landkarte“ Farbe. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) veröffentlichte jene Teilgebiete, die als potentielle Standorte in Frage kommen. Und die Überraschung war groß: Halb Deutschland ist noch im Rennen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen für die weitere Eingrenzung laufen. Und dennoch gibt es Stimmen, die sagen: Unsere Region kommt als Endlagerstandort nicht in Frage.

Lokalpolitiker*innen aus Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen äußerten lautstark ihre Ablehnung. Und die Bayern sind so überzeugt davon, dass ihr Bundesland als Endlagerstandort nicht geeignet ist, dass sie das gleich in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben – vor allem auf Initiative der Freien Wähler.

Martin Behringer ist Teil dieser Partei und seit 20 Jahren Bürgermeister von Thurmansbang, einer kleinen Gemeinde in Niederbayern. Ein Kommunalpolitiker, der ein gutes Gespür für die Menschen in seiner Gemeinde hat. Einer, der sich auf der einen Seite bei der Endlagersuche engagiert – er war Teil der Vorbereitungsgruppe, die die Fachkonferenzen zu den Teilgebieten organisierte – aber auch einer, der von vornherein sagt: Kein Endlager in Thurmansbang!

Alleingänge schaden dem Verfahren

Tourismus spiele in seiner Gemeinde eine wichtige Rolle, sagt Martin Behringer. Und er gibt ehrlich zu: Mit einem Endlager vor Ort gewinnt man keine Wähler*innenstimmen. Doch legitimieren solche politischen Überlegungen ein Ausscheren aus dem Verfahren?

In keiner Weise, sagt Manfred Suddendorf. Er ist NBG-Mitglied und überzeugt davon, dass solche Alleingänge Vertrauen verspielen und der Endlagersuche schaden. Engagieren, kritisch begleiten – ja! Von vornherein ein solches gesellschaftliches Mammutprojekt torpedieren – nein!  

Warum nicht der Expertise der Forscher*innen vertrauen, die jenen Ort finden werden, der die bestmögliche Sicherheit in Deutschland für ein Endlager bietet?

Die Angst, ein Stück Heimat zu verlieren

In der Diskussion kristallisiert sich heraus: So einfach ist es leider nicht! Das Verfahren beruht auf Wissenschaft, aber es betrifft auch eine zutiefst emotionale Ebene, die für Martin Behringer oft zu kurz kommt. Es geht um Ängste, um das Gefühl ein Stück seiner Heimat zu verlieren, Spielball von Entscheidungen zu sein, die man selbst nicht beeinflussen kann.

Diese Ohnmacht muss man - da sind sich alle einig - ernst nehmen und frühzeitig Menschen mit in das Verfahren einbinden, vor allem Kommunen. Nur so entsteht Vertrauen, nur so entsteht die Einsicht, dass diese Aufgabe von der Idee der Solidarität getragen wird. Dass Deutschland einen Ort für diese hochgefährlichen atomaren Abfälle finden muss und dass am Ende ein Ort die Last für das ganze Land tragen wird.

Perspektivwechsel Finnland

Doch ist es wirklich eine „Last“? Der Blick nach Finnland zeigt, wie unterschiedlich der Umgang damit sein kann. Das europäische Land im hohen Norden wird ab 2025 – so der Plan – sein Endlager in Betrieb nehmen. Im Vorfeld hatten sich sogar mehrere Gemeinden beworben, um Standort zu werden. Den Fakt ist: wo ein Endlager entsteht, wird es enorme Kompensationszahlungen geben. Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen werden angesiedelt, die Konjunktur angekurbelt.

Sollte man diesen Aspekt nicht schon frühzeitig auch in Deutschland nach außen tragen? Oder wirkt das wie ein vergiftetes Geschenk? Wenn die Befürchtung ist, dass das mühsam zusammengesparte Eigenheim mit einem Endlagerstandort daneben nichts mehr wert ist, dann können finanzielle Ausgleichszahlungen hilfreich sein. Aber gegen die Angst, ein Stück Heimat zu verlieren, hilft Geld wenig. Da braucht es Aufklärungsarbeit und Vertrauen in demokratische Prozesse.

Sie finden all diese Aspekte im Video-Mitschnitt des Gesprächs auf unserem YouTube-Kanal.

Streitgespräch: Not in my backyard - Schadet das Ausscheren von Regionen dem Verfahren?

Aygül Cizmecioglu

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