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Schlag­lich­ter von der 29. NBG-Sit­zung

Kurzbericht | 23.05.2019

Es war eine Premiere. Erstmals besuchte das Nationale Begleitgremium die BGE in Peine. Die Mitglieder machten sich ein Bild über die Arbeit der Bundesgesellschaft für Endlagerung und wollten wissen: wie bekommt man einen transparenten Umgang mit Geodaten hin?

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) will im dritten Quartal 2020 den Zwischenbericht Teilgebiete veröffentlichen, mit dem die in Deutschland für ein Atommüllendlager in Frage kommenden Gebiete eingegrenzt werden. Wie das geschehen soll, hat der Gesetzgeber im Standortauswahlgesetz (StandAG) festgelegt. Es gibt Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und eine Bewertung mithilfe von geowissenschaftlichen Abwägungskriterien. Und es gibt bei der BGE eine riesige Menge an geologischen Daten.

Aber wie sieht es mit der ebenfalls vom Gesetzgeber für das Standortauswahlverfahren vorgeschriebenen Transparenz aus? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Diskussion in der öffentlichen Sitzung des Nationalen Begleitgremiums am 23. Mai 2019 bei der BGE in Peine.

Es war der erste Besuch des Begleitgremiums dort. Die BGE hatte angekündigt, mit dem NBG über ihre Arbeiten zur Ermittlung der Teilgebiete nach § 13 StandAG und die Möglichkeiten einer allgemein verständlichen Darstellung der Ergebnisse in dem Zwischenbericht Teilgebiete zu sprechen. Dementsprechend groß war das Interesse der Öffentlichkeit. Zahlreiche Vertreter*innen von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen, von Ämtern und Behörden sowie der Presse waren vor Ort und nutzten die Gelegenheit zu einem direkten Austausch und für klare Worte.

Lernen aus der Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte

In seiner Begrüßung wies Stefan Studt, der Vorsitzende der Geschäftsführung der BGE, darauf hin, dass aus der Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte Rückschlüsse für das aktuelle Standortauswahlverfahren gezogen werden müssten. Der bestmögliche Standort für das gesuchte Endlager für hochradioaktive Abfälle müsse in einem System von „Checks and Balances“ gefunden werden. Deshalb sei auch der Austausch mit dem für die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Auswahlverfahrens zuständigen NBG so wichtig.

Steffen Kanitz, Mitglied der Geschäftsführung der BGE, betonte die Gleichbehandlung aller Regionen in Deutschland und wie wichtig es sei, dass alle Akteure im Standortauswahlverfahren in Zusammenarbeit für einen Konsens werben. Auch der Gesetzgeber sei dabei gefordert. Aktuell schiebe das Gesetz dem Anspruch auf Transparenz einen Riegel vor. Dennoch sei ein Großteil der geologischen Daten jetzt schon öffentlich zugänglich. Zur Transparenz gehöre auch, dass man den Bürger*innen erklärt, wie bei der Aufarbeitung und Auswertung der Daten vorgegangen wird. Dabei sei auch eine Unterstützung der „anderen Player“ im Standortauswahlverfahren erforderlich.

Anwendung der Ausschlusskriterien und die Frage nach Transparenz

Bei der Präsentation der Methodik zur Anwendung der Ausschlusskriterien nach § 22 StandAG durch Fachleute der BGE wurde darauf hingewiesen, dass die BGE noch nicht alle erforderlichen geologischen Daten habe, um diese Ausschlusskriterien abschließend anzuwenden. Außerdem stünden Rechte Dritter derzeit einer Veröffentlichung entgegen. Bei allen Datenlieferungen der Länder habe man den Hinweis bekommen, dass einige dieser Daten mit Rechten Dritter behaftet seien. Man wisse aber nicht konkret, welche. Der Ko-Vorsitzende des Nationalen Begleitgremiums, Klaus Töpfer, wollte es genauer wissen und fragte nach, ob es tatsächlich sein könne, dass alle geologischen Daten nicht veröffentlicht werden, nur weil ein kleiner Teil der geologischen Daten geheim zu halten sei.

NBG-Mitglied Monika C.M. Müller forderte in der Diskussion um diese rechtliche Frage, dass die BGE zumindest die geologischen Daten, die ohnehin schon öffentlich zugänglich sind, für die Bürger*innen transparent machen solle. Stefan Studt vertrat die Auffassung, das könne die BGE leisten. Einig waren sich die Beteiligten, dass für eine umfassende Veröffentlichung der geologischen Daten eine rechtliche Grundlage erforderlich sei. Diese Grundlage, das Geologiedatengesetz, ist beim zuständigen Bundeswirtschaftsministerium in Arbeit. Stefan Studt bat das Begleitgremium um Unterstützung, um hier zügig voranzukommen.

Zur Klärung einer weiteren bei Anwendung des Ausschlusskriteriums „großräumige Vertikalbewegungen“ zu beantwortenden Frage, nämlich welche Daten man brauche, um die vom Gesetz geforderte Prognose von Hebungen über 1 Million Jahre machen zu können, wurde von der BGE eine wissenschaftliche Untersuchung bei der BGR in Auftrag gegeben.

Beim Ausschlusskriterium „aktive Störungszonen“ habe die BGE ca. 27.000 Datensätze von den Ländern erhalten. Nur ca. 9% der Störungszonen seien aktiv, also jünger als 34 Millionen. Jahre. Wenn es keinen genauen Hinweis auf den Störungsverlauf gäbe, dann werde aktuell die geringstmögliche Zone ausgeschnitten. Bei späteren weiteren Erkundungen könne man dann genauere Informationen zum Störungsverlauf erhalten. Die Diskussion über die Aktivität von Störungszonen sei auch noch nicht endgültig abgeschlossen. Die BGE werde mit den Ländern und der Öffentlichkeit diskutieren, um den Anspruch der Gleichbehandlung aller Länder zu gewährleisten und zu einer einheitlichen Definition zu gelangen. Dies sei ein Beispiel für das im StandAG vorgesehene „lernende Verfahren“.

Im Zusammenhang mit dem Ausschlusskriterium „seismische Aktivität“ warf Armin Grunwald vom Begleitgremium die Frage auf, wo man bei Sicherheitsabständen die Grenzlinie ziehen und diese überzeugend begründen und kommunizieren könne. NBG-Mitglied Lukas Fachtan fragte nach, ob man dabei auch die von den Nachbarländern Deutschlands ausgehenden seismischen Aktivitäten in den Blick nehmen und entsprechende Daten dort abfragen würde. Jörg Tietze, Leiter des Bereichs Standortauswahl bei der BGE, wies darauf hin, dass die geologischen Landesdienste auch in die Nachbarländer schauten und bei seismischen Aktivitäten nicht nur die Quellen, sondern auch die Auswirkungen erfassen würden.

Im Zusammenhang mit dem Ausschlusskriterium „Einflüsse aus gegenwärtiger oder früherer bergbaulicher Tätigkeit“ wurde erläutert, wie die BGE bei der Digitalisierung der Risswerke in 3-D-Modellen vorgeht. Zum Ausschlusskriterium „vulkanische Aktivität“ gebe es noch eine heterogene Datenbasis. Zur Eingrenzung von Gebieten mit zukünftigem Vulkanismus habe die BGE an die BGR und andere externe Experten ein Forschungsprojekt vergeben, dessen Erkenntnisse zu berücksichtigen seien. Beim letzten Ausschlusskriterium „Grundwasseralter“ wurde darauf hingewiesen, dass hier ebenso wie bei der Anwendung aller anderen Ausschlusskriterien fortlaufend neue Erkenntnisse in das Verfahren einfließen und Berücksichtigung finden müssten.

Anwendung der Mindestanforderungen und der geologischen Abwägungskritierien

Wie veranschaulicht man die Methodik zur Anwendung der Mindestanforderungen nach § 23 StandAG? Die BGE plant dazu 3-D-Modelle von den Gebieten mit den Wirtsgesteinsformationen (Steinsalz, Ton- und Kristallingestein) anzufertigen. Aber kann einem dabei nicht „etwas durch die Lappen gehen“, weil die Datenlage im Hinblick auf die verschiedenen Wirtsgesteine ungleich verteilt ist und es die meisten Daten in Deutschland über Salzvorkommen gibt? Diese von Armin Grunwald aufgeworfene Frage sei absolut berechtigt – so die Anmerkung eines Gastes. Denn auch in Hinblick auf Tonvorkommen sei noch zu wenig erforscht und es gebe zu wenige Daten.

Steffen Kanitz wies in diesem Zusammenhang darauf hin: Bei Vorliegen von zu wenigen Daten bleiben die betreffenden Gebiete stets im Verfahren. Die geowissenschaftliche Abwägung nach § 24 StandAG werde die BGE ab Dezember 2019/Januar 2020 vornehmen. Dabei sei es eine besondere Herausforderung, so Jörg Tietze, nicht „Birne und Apfel und Pflaume, sondern am Ende nur Äpfel miteinander zu vergleichen“.

Blackbox Geodaten?

Als Möglichkeiten zur Darstellung der Ergebnisse im Zwischenbericht Teilgebiete wurden von der BGE genannt: geologische Karten, interaktive Karten und 3-D-Modelle. Wichtig seien eine einfach verständliche Sprache, barrierefreie Texte, ggf. interaktive Erklär-Videos und/oder sonstige webbasierte Anwendungen sowie anschauliche 3-D-Modelle.

Viele Fragen und kritische Anmerkungen der Gäste kreisten um die von  Monika C.M. Müller aufgeworfene Frage, wie man es schafft, die derzeitige „Blackbox“ transparent zu machen, um Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen. Sobald die Erkenntnisse über die Ausschlusskriterien abschließend vorlägen – so eine Forderung aus den Reihen der Gäste – könne man diese auch gleich veröffentlichen. Steffen Kanitz wandte ein, vor der Veröffentlichung brauche man erst einmal ein gemeinsames Verständnis über die Methoden. Darüber müsse man zuerst kommunizieren. Jörg Tietze bat auch darum, dass man erst die Methoden abschließend festlegen müsse, bevor man Ergebnisse veröffentliche. Sonst würde am Ende jeder nur über vorab veröffentlichte Karten und seine eigene Betroffenheit reden, nicht aber über die Methoden.

In diesem Zusammenhang kam in der Diskussion die Frage nach einem gemeinsamen Verständnis des Begriffs „Methoden“ auf. Gibt es ein solches? Es gebe Methoden für die Aufbereitung, die Anwendung/Bewertung und Darstellung von geologischen Daten. NBG-Mitglied Manfred Suddendorf betonte, dass es wichtig sei, auch hier für Transparenz zu sorgen – das könne auch stufenweise geschehen. Die Frage sei, so Monika C.M. Müller, wie man sukzessive informieren könne, damit die Bürger*innen genug Zeit haben, um die Ausarbeitungen von zwei bis drei Jahren verstehen zu können. Möglich, so Steffen Kanitz, sei eine Einführung der Bürger*innen anhand von bereits existierenden Darstellungen. Der Ko-Vorsitzende des NBG, Klaus Töpfer, wies darauf hin, dass man Ergebnisse auch als „nicht abschließend“ veröffentlichen könne.

Nicht auf den „X-Day“ warten!

Der zur fachlichen Begleitung vom NBG eingeladene Experte Prof. Dr. Wernt Brewitz schlug im Zusammenhang mit dem Thema „Kommunikation“ vor, dass die BGE auch von den Erfahrungen der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) im Verfahren zur Suche eines Endlagers in der Schweiz lernen könne. Jörg Tietze wies darauf hin, dass die BGE im Gegensatz zur Nagra die Herausforderung der „X-Day Kommunikation“ habe. Aber gibt es tatsächlich solch eine Einschränkung? Nein – auch die Gäste schienen nicht überzeugt davon zu sein. Das Heranführen der Bevölkerung könne jetzt schon erfolgen, man müsse nicht auf den „X-Day“ warten.

Mehr Information, so Marion Durst vom NBG, könne schon jetzt und müsse zudem zielgruppenorientiert erfolgen. Das, so Lukas Fachtan, würde auch den Erwartungsdruck herausnehmen. Ein Gast mahnte zudem an, man könne nur so dem Verdacht von „politischen Stellschrauben“ vorbeugen. Wenn man nicht wolle, „dass Bürgerinitiativen nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete wie Pilze aus dem Boden schießen“, dann müsse man jetzt die Bevölkerung mehr mitnehmen. Eine Abwehrhaltung könne nur durch eine „echte Beteiligung“ der Bürger*innen verhindert werden.

Jennifer Blank

Die Kurzberichte greifen ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein paar Schlaglichter aus den Sitzungen auf. Ausführliche Informationen finden Sie im Ergebnisprotokoll anbei.

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